Montag, April 24, 2006

Wenn das Meer sauer wird

Nicht nur das Klima leidet unter dem zunehmenden CO2-Anteil in der Atmosphäre, sondern auch Organismen im Meer: Kalkalgen, Muscheln, Schnecken, Korallen – die Bewohner von Kalt- und Warmwasserriffen in den Weltozeanen verschwinden allmählich.
CO2 ist eine Säure. Dass sich nun immer mehr davon in den Weltmeeren löst, schafft Lebewesen mit Kalkgehäusen grosse Probleme: Der Kalk löst sich auf. Wir kennen das von der Kaffeemaschine, die wir mit Essig(säure) entkalken. Dieser Umstand aber wirft ein neues Licht auf die anthropogenen CO2-Emissionen: Unabhängig davon, wie man zum Klimawandel steht - der CO2-Ausstoss muss reduziert werden.

Die kaum gebremsten Kohlendioxid-Emissionen haben nicht nur in der Atmosphäre ihre Folgen, sondern auch in den Meeren. Etwa die Hälfte des CO2, das die Menschen seit Beginn der industriellen Revolution freigesetzt haben, ist in den Weltmeeren gelandet, wie Forscher der britischen Royal Society schon im Sommer 2005 betonten. Ein Teil des Kohlendioxids, das sich in den Ozeanen auflöst, wird dabei zu Kohlensäure - und greift alles an, was Kalk enthält.
Betroffen sind davon vor allem Muscheln und Korallen. Doch nicht nur sie: In den Gewässern um den Südpol etwa bilden sich winzige Schalentiere, die zum Plankton gehören und die Basis der Nahrungskette im Meer darstellen. Deren kalkhaltige Anteilewerdenebenfalls unter der Säureattacke zu leiden haben. Der erhöhte Kohlensäuregehaltbeeinträchtig auch das Phytoplankton, winzige pflanzliche Organismen, die im Wasser treiben.
Ken Caldeira von der Washingtoner Carnegie Institution hat jetzt in Fossilien nach vergleichbaren Vorgängen in der Erdgeschichte gesucht - und ist fündig geworden. Die Chemie der Ozeane hat sich seinen Daten zufolge vor etwa 65 Millionen Jahren ähnlich dramatisch verändert wie heute - also genau zu der Zeit, als die Dinosaurier ausstarben.
"Die geologische Geschichte zeigt, dass die chemischen Folgen der Versauerung der Ozeane Zehntausende Jahre andauern können", sagte Caldeira. "Aber die biologische Erholung könnte Jahrmillionen in Anspruch nehmen. Die Ozean-Versauerung hat das Potenzial, viele Arten im Meer auszulöschen." (Spiegel)