Freitag, Januar 27, 2006

Offener Brief an Felix Gutzwiller: Rauchzeichen - wenn FDP-Politiker nach staatlicher Intervention rufen

Sehr geehrter Herr Gutzwiller

Einmal mehr wende ich mich an Sie, um über Ihre m. E. mangelnde Glaubwürdigkeit zu klagen. Nach wie vor ignorieren Sie die Luftverschmutzung und beschränken Ihr Engagement auf den Krieg gegen die Rauchenden.
Nun plane ich, das Thema "Luftverschmutzung und Stellvertreterkrieg" dieses Jahr mit einer Reihe von Veranstaltungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Selbstverständlich wird Ihr Name dabei häufig fallen, zu sehr bieten Sie sich als Zielscheibe an, als fleischgewordener Beweis der heute üblichen Scheinheiligkeit.

Deshalb will ich Ihnen vorgängig die Möglichkeit zur Stellungnahme bieten und bitte Sie deshalb um ein weniges Ihrer wertvollen Zeit.

Ich attestiere Ihnen mangelnde Glaubwürdigkeit in zwei Punkten:
Erstens haben Sie sich als Präventivmediziner, soweit mir bekannt, noch nie zur Luftverschmutzung (ausser der in Innenräumen) geäussert, ja, Sie haben sogar für die zweite Gotthardröhre gestimmt (die Fraktionsdisziplin, ein Kreuz). Nun verursacht die Luftverschmutzung aber Gesundheitskosten in der Höhe von
6,7 Mrd. Franken, 40 000 Menschen werden jedes Jahr neu chronisch krank, die Hälfte davon Kinder. Für Sie kein Thema, ebenso wenig wie für das BAG oder Pro Aere. Mehrere Mrd. Franken Ernteausfälle in Land- und Forstwirtschaft - das nimmt der FDP-Politiker Gutzwiller einfach hin. In Deutschland, wo, wie Sie nicht müde werden zu berichten, angeblich 3000 Menschen im Jahr am Passivrauchen sterben, fallen in derselben Zeitspanne 65 000 Menschen dem Feinstaub zum Opfer. (Was für einen Wagen fahren denn Sie, Herr Gutzwiller? Wie viele Flugreisen unternehmen Sie, wie heizen Sie Ihr Haus?) Es müsste einen FDP-Politiker doch alarmieren, wenn er weiss, dass wir jedes Motorfahrzeug in der Schweiz mit 1000 Franken aus dem Gesundheitswesen subventionieren, und zwar jedes Jahr!

Doch das tut es nicht, der FDP-Vertreter zieht es vor, eine parlamentarische Initiative gegen das Rauchen einzureichen. Und damit komme ich zum zweiten Punkt. Derselbe Politiker, der sich mit der Fraktionsdisziplin bei Avanti aus seiner gesundheitspolitischen Verantwortung herauszureden versucht, fordert äusserst einschneidende staatliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit jedes einzelnen Wirtes. Wie bringen Sie das unter einen Hut? Die ungleich grössere Belastung nehmen Sie als gegeben hin, verschanzen sich - feig, wäre ich versucht zu sagen - hinter Parteiparolen, aber die Freiheit jedes dritten erwachsenen Schweizers anzutasten, schafft Ihnen kein Problem? Und wenn es Ihnen um die Volksgesundheit ginge, warum prangern Sie Fast und Convenience Food nicht an? Warum engagieren Sie sich nicht gegen Wintersport? Mehrere Tausend schwere Unfälle pro Woche könnten so vermieden werden, von den positiven Auswirkungen auf die geschundene Bergwelt ganz zu schweigen. Stimmt ja, die Menschen haben das Recht, sich selbst zu schaden.
Ich will das etwas ausführen. Ich bin Raucher. Ich habe kein Auto, fliege nie in die Ferien, schränke meinen Energieverbrauch ein, soweit es geht. Ich kaufe bevorzugt regionale Produkte, fahre natürlich nicht Ski. Meine Ökobilanz sieht verglichen mit der Ihren sehr gut aus. Und ich verkehre in Lokalen, die fast ausschliesslich von Rauchern frequentiert werden. Auch das Personal raucht ausnahmslos. Doch mit Ihrem Rundumschlag wollen Sie uns das Zusammensein verunmöglichen. Nichtraucher gehen nicht nur weniger in Lokale, weil dort geraucht wird. Hercolani! Gerade Ihnen als FDP-Politiker müsste doch klar sein, dass wir in unserer Marktwirtschaft längst mehr Nichtraucherbeizen hätten, wäre das Bedürfnis tatsächlich so gross! Raucher sind ganz generell konsumationsfreudiger als Nichtrauchende, sie konsumieren sogar regelmässig ein Produkt, dass ihre Gesundheit ernsthaft gefährden kann! Es ist mir egal, wie viele Speiselokale rauchfrei werden, ich gehe zwischen den Gängen ohnehin vor die Tür zum Rauchen, weil mir die olfaktorischen Auswirkungen bewusst sind. Aber Gastgewerbe und Tabakkonsum sind durch die Geschichte untrennbar verbunden, und deshalb gibt es auch entsprechende Lokale. Halt, das ist Ihnen ja bewusst, Sie wollen Ihrer Klientel die Möglichkeit, Zigarren öffentlich zu rauchen, nicht nehmen! Weshalb darf es dann keine Beizen für uns Zigarettenprolos mehr geben?

Und Sie verdrängen die Auswirkungen. Gemäss ZDF mussten in New York über 200 Clubs schliessen. Nicht weil die Raucher nicht mehr gekommen wären, sondern weil die Nachbarn - zu Recht - über den Lärm der vor der Tür versammelten Raucher wie Nichtraucher klagten. Selbiges wird aus Irland berichtet, im Quartier meiner Bekannten in Dublin gingen schon drei Pubs zu deswegen. Müsste das den FDP-Politiker nicht davor warnen, allzu freigiebig mit staatlicher Regulation um sich zu werfen? Überhaupt Irland: Da frohlocken die Antirauchermissionare, die Restaurants hätten keine Umsatzeinbusse, weil weniger Bier, dafür mehr Essen und Wein verkauft würden. Hallo? Zwei Drittel der Lokale in Irland sind Pubs, da gibts höchstens Snacks, und der Hauptumsatz wird mit Bier gemacht! Und viele dieser Pubs sind tatsächlich in ihrer Existenz bedroht, weil Nichtrauchende halt weniger häufig ausgehen und Rauchende, wie ich es auch tun würde, sich lieber zuhause, wo das Rauchen erlaubt ist, mit ihren FreundInnen treffen. Und der Lärm ... Was glauben Sie, wie das in der reichlich intoleranten Schweiz ausgehen wird? All die Rauchenden vor den Türen - würden Sie da in Nachbarschaft zu einer Beiz leben wollen? In fünf Jahren wird fast die Hälfte der Trinklokale geschlossen sein, der Initiative eines FDP-Politikers zum Dank. (Diese Schätzung beruht auf einer Erfassung der Lage der entsprechenden Lokale in Luzern.)

Und es geht Ihnen ja nicht darum, dass die Leute weniger rauchten. Die Auswirkungen auf die AHV wären fatal (minus 1,5 Mrd. Franken pro Jahr, Stand 2006, davon, dass wir im Schnitt 5 Jahre Lebenserwartung, also AHV-Bezug freiwillig abgeben, spreche ich noch nicht einmal), allein die vom BAG vorgesehenen regelmässigen Preiserhöhungen bringen dem Bund Mehreinnahmen von über 300 Mio. Franken jährlich. Deshalb auch der aktuelle Zwist BAG - EFD, bei dem es nun wirklich nicht um den Schmuggel geht, wie (FDP-)Bundesrat Merz im Oktober 2004 dem Tagi sagte. "Wir brauchen das Geld."Auch hier wäre der FDP-Politiker Gutzwiller gefordert, sonst stets schnell mit liberalen Parolen zur Hand: Kein Konsumprodukt ist von Staates wegen so überteuert wie der Tabak. Wie würden Sie sich stellen, wenn man im Verkehr endlich Kostenwahrheit schaffte und der Liter Benzin 4 Franken kostete? Diese Frage brauchen Sie nicht zu beantworten, ich weiss, was Sie und Ihre Fraktion davon hielten.

Herr Gutzwiller, ich werde wie gesagt Ihren Namen und Ihr Verhalten in Zukunft häufig zitieren. Wenn Sie also versuchen möchten, mir Ihre Motivation, den dreifachen Rittberger mit gestreckter Schraube zu erklären, den Sie als FDP-Vertreter, der eigentlich keiner ist, sobald es ihm passt, und als Präventivmediziner, der missliebige Fakten mit Leichtigkeit ignoriert, vollziehen, hier ist die Gelegenheit.

Und seien Sie gewiss: Ich lasse nicht locker.

Besten Gruss

Vampyrotheutis

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